Eine Geschichte,
wie Schule auch sein kann


Jahresbrief 2014 — lettre annuelle 2014 — Anual letter 2014

von Scuola Vivante am 03. Februar 2015
  • Allgemein

Buchs SG, 30.01.2015

Liebe Bildungsinteressierte
Liebe Gönnerinnen und Gönner

Anual letter 2014         Lettre annuelle 2014

Die Verleihung des Schweizer Schulpreises 2013 in der Kategorie Nischenschule hat der Scuola Vivante einen frischen Vorwärtsschwung verliehen. In einer schulinternen Feier – ziemlich genau vor einem Jahr – freuten sich Eltern, Team und alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam über diesen grossen Erfolg. Eine Auszeichnung zu erhalten ist stets etwas Wunderschönes. Es ist Anerkennung für Geleistetes und verleiht Motivation für Bevorstehendes. Wer den schweizweiten Vergleich nicht scheut, steht hinter dem eigenen Konzept und dessen Umsetzung. Nach Sichtung der Ausschreibung für diesen Preis war es für SchülerInnen, Team, Eltern und Schulleitung der Scuola Vivante sofort klar, eine Bewerbung einzureichen. Die zu beschreibenden Punkte über Leistung, Umgang mit Vielfalt, Unterrichtsqualität, Verantwortung und Schulklima schienen uns auf die Stärken unserer Schule zugeschnitten.

Die Eingabe wurde unter Einbezug von allen Beteiligten und der Schulleitung verfasst. Diese doch aufwendige Arbeit hat sich aber in vielerlei Hinsicht ausbezahlt. Sie bot die Möglichkeit, sich noch einmal genauer mit der Scuola Vivante, ihren Gepflogenheiten, ihren Regelungen, ihren Eigenheiten auseinanderzusetzen, sich vertieft damit zu befassen, was sie einzigartig macht – von innen wie von aussen. Die Stärken der Schule, die es zu bewahren und weiterzupflegen gilt, sind sichtbarer geworden, ebenso Bereiche wo Handlungs- und Entwicklungsbedarf besteht.

Das Wertvollste und letztendlich das Zielführende ist jedoch, dass dieser Prozess den inneren Zusammenhalt der Schule gestärkt hat. Die gemeinsame Ausrichtung, das gegenseitige Vertrauen und die Identifikation mit der Schule erleichtert die tägliche Arbeit und lässt Raum, sich uneingeschränkt dem Lernen und Lehren zu widmen. Auch ein Jahr nach Verleihung des Schulpreises erhält die Scuola Vivante noch Gratulationen. Die Öffentlichkeit hat diese Auszeichnung mit Respekt wahrgenommen und reagiert sehr positiv.

Beigetragen zu einem guten Jahr hat auch das Konzertwochenende im April 2014 mit Jordi Savall und Hespèrion XXI. Mit einigen von Ihnen konnten wir dieses musikalische Erlebnis in der Herz-Jesu-Kirche in Buchs teilen. Seit über 40 Jahren sucht Jordi Savall die verbindende Sprache zwischen Kulturen, Völkern und Religionen. In dieser Suche erweckt er nicht nur vergessenes Liedgut wieder zum Leben, sondern nährt auch die Sehnsucht und das stetige Bestreben der Menschen nach Frieden.

Mit Hespèrion XXI, La Capella Reial de Catalunya sowie drei Gastsängerinnen und -sänger, standen zwanzig hervorragende Instrumentalisten und Vokalisten aus Armenien, Türkei, Israel, Palästina, Griechenland, Italien, Frankreich, Katalonien, Spanien und Grossbritannien an Jordi Savalls Seite.

Das Konzert «Mare Nostrum» vereinte eine vielfältige Auswahl an mediterraner Musik, die sich auf die mündliche Überlieferung der Sepharden, Berber, Griechen, Araber, Hebräer, Andalusier und Katalanen sowie auf mittelalterliche Handschriften stützt – eine musikalische Reise ums Mittelmeer mit Geschichten von Migrationsbewegungen und Dialogen unter den drei grossen monotheistischen Religionen. Jordi Savall integrierte dabei den Chor der Scuola Vivante im Schlussteil des Konzertes, in einer türkischen, arabischen, griechischen und hebräischen Variation des Volksliedes Ghazali – ein Lied, das sich rund um den Mittelraum verbreitet hat und in verschiedenen Ländern gesungen oder getanzt wurde/wird, jedes in leicht abgeänderter Form, in der eigenen Landessprache, aber dennoch unverkennbar das gleiche Stück.

Mit dem Einbezug des Kinder- und Jugendchores der Scuola Vivante spannte Jordi Savall einen Bogen von der Alten Musik – mit seinem zentralen Anliegen, die Geschichte in Erinnerung zu behalten – hin zu der aktuell, politisch, gesellschaftlich und religiös sich verschärfende Situation zwischen Nord-Süd und West-Ost: hin zu der zukünftigen Generation.

Dank der finanziellen Unterstützung von „diction AG“, konnten wir das Konzert Mare Nostrum unter der Leitung und Regie von Stefan Haupt und Georges Gachot mit drei Kameras und einer vierten Schülerkamera professionell aufzeichnen. Mit einem Teil der Musiker führten Stefan Haupt und die SchülerInnen am Rande der Konzerte in der Schule berührende und interessante Gespräche. Diese Interviews wurden ebenfalls aufgezeichnet.
Auf ihrer sechzehntägigen Bildungsreise im Mai, einen Monat nach diesem grossartigen Konzert, legte die Sekundarstufe 1 der Scuola Vivante auf dem Landweg einen Teil dieses Weges zurück: Ans und übers Mittelmeer, von den Römern benannte Mare Nostrum, zu ihrer Partnerschule, der école vivante, im Hohen Atlas von Marokko, (die im Übrigen bereits in ihr sechstes Schuljahr gestartet ist und im letzten Schuljahr durch einen einjährigen engagierten Arbeitseinsatz von Isabelle und Daniel Saluz viele wertvolle Impulse erhalten hat). Diese rund 4500 Kilometer lange Reise führte von der Schweiz aus durch Frankreich, Spanien, über die Mittelmeerenge von Gibraltar nach Marokko zu der blauen Stadt Chefchouen, nach Fès und Marrakesch bis ins Ait Bouguemez, der Heimat der école vivante und Ziel der Reise. Mit dem Schiff ging es zurück nach Italien und über den San Bernardino in die Schweiz. Es waren an Eindrücken und Erlebnissen unglaublich reiche und tiefgründige Wochen.

Diese Reise wurde von den Jugendlichen und Lehrpersonen selbst gefilmt, nach einer professionellen Einführung und Schulung in Kamerahandhabung und Tontechnik.

Die Schülerinnen und Schüler der Primarstufe bereiteten sich gleichzeitig auf eine Reise über die Schweizer Alpen an die italienische Mittelmeerküste vor: die Via Spluga. Einen Teil des Weges hatte die Gruppe bereits zwei Jahre zuvor zurückgelegt, von Buchs bis zur Passhöhe. Im Juni nahmen sie dann die Fortsetzung unter die Füsse und Räder – von Splügen bis Finale Ligure, südlich von Genua am Mittelmeer. Auch bei dieser Reise waren Filmkamera und Tonaufzeichnungsgerät mit dabei.
Monatelang haben sich die SchülerInnen mit einer Vielzahl von interessanten Themenbearbeitungen darauf vorbereitet – Routenplanung, Herbergs- und Zugsreservationen, die Geschichte der Alpen, die Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen der Menschen im Alpenraum, die Vegetationsstufen, das körperliche Training für die Alpenüberquerung, ein Italienisch-Intensivgrundkurs, mathematische Arbeit durch das Erstellen von Höhenprofilen oder in der Budgetplanung…. um nur einige Beispiele zu erwähnen.

Die Kinder der „Basisstufe unterwegs“ nahmen das Konzerterlebnis und die darin enthaltene Reise durch die Zeit an ihren neuen Standort mit: Der Basisstufenwagen konnte einige Monate oberhalb des Städtchens Werdenberg mit Blick auf das Schloss gestellt werden. Eine abwechslungsreiche Lernumgebung in Verbindung mit der Natur, mit der rund 800 jährigen, kleinsten Stadt der Welt und seinen Bewohnern und Kunsthandwerksbetrieben, den aktuellen Ausgrabungen der Archäologen, den Schlossgespenstern und dem Werdenbergersee mit einer Vielzahl von brütenden Enten, jungen Schwänen und sonstigem Getier.
All diese Kinder und Jugendlichen der Scuola Vivante und ihre Lehrpersonen brachen auf, verliessen Vertrautes, betraten Unbekanntes, liessen sich von einem Teil derjenigen Welt berühren, die im Konzert ihren musikalischen Ausdruck fand. Sie traten in Kontakt mit Menschen und ihren Werken, führten Gespräche, gingen Beziehungen ein, suchten das Verbindende – die gemeinsamen Wurzeln.

Im Reisen und Unterwegssein verbirgt sich eine der unmittelbarsten, umfassendsten und nachhaltigsten Formen des Lernens überhaupt. Der Mensch steht mitten im Geschehen, ist Teil davon, alle körperlichen Sinne sind miteinbezogen. Dieses Bestreben, dass Kinder von dieser Welt berührt werden und sie diese Welt auch selber berühren können – eine Voraussetzung für die Fähigkeit von Verantwortung – zeichnet die Pädagogik der „Nischenschule“ Scuola Vivante aus. Das Konzert „Mare Nostrum“ und die Bildungsreisen der Scuola Vivante sind ebenfalls Geschichten, die sich berühren. Dieses gesammelte Filmmaterial – und da machen wir in diesem Jahresbrief nun schon einen Bogen ins 2015 – möchten wir zu einem musikalisch-poetischen Reisefilm  zusammenfügen, mit viel Musik aus dem Konzert, mit Interviews von Musikern aus acht Nationen rund ums Mittelmeer und mit Reisebildern der Oberstufe auf dem Weg nach Marokko zu ihrer Partnerschule, der école vivante.

Einmal mehr hatten wir das Glück, im richtigen Moment mit den richtigen Menschen zusammengebracht zu werden. Stefan Haupt, u.a. Regisseur der Filme „Sagrada – el misteri de la creacio“ oder „Der Kreis“, der soeben fünf Nominationen für den Schweizer Filmpreis erhalten hat, führt zusammen mit Michelle Brun die Regie des Filmes.

Michelle Brun, erfahrene Regisseurin und Cutterin hat nach den Sommerferien vis à vis vom Schulsekretariat im ehemaligen Materialraum eine „editing suite“ installiert, ein Arbeitsplatz, um das rund 1.6 Terabytes umfassende Rohmaterial (ein Total von 832’439 Sekunden Film) zu sichten und zusammen mit Stefan Haupt zu einer Filmgeschichte zusammenzufügen.

Wir arbeiten noch an der Finanzierung der Endfassung des Filmes und suchen noch weitere Partner. Wer sich genauer über das Filmprojekt informieren möchte, kann gerne mit uns Kontakt aufnehmen. Die Einladung zur Filmpremiere folgt.

Michelle Brun arbeitet in einem Teilpensum in der Schule und führt, nebst der Arbeit am Film Mare Nostrum, auch schulinterne Kurse in Kameratechnik, Filmschnitt und Produktionsbeiträgen durch. Beiträge aus dem Schulalltag (z.B. die bevorstehende Tagung der UNESCO-assoziierten Schulen im März oder ein Beitrag zum Repair Café) können, so hoffen wir, bald auf „Tele Vivante“ angeschaut werden.
Wie im letzten Jahresbrief schon erwähnt, hat sich die Schülerzahl so entwickelt, dass nun alle Lerngruppen voll besetzt sind. Die Nachfrage nach Schulplätzen nimmt stetig zu.
Das Brütwerk – die Tüftelwerkstatt ist auch im siebten Jahr praktisch immer ausgebucht. Es hat sich eine treue Tüftlergemeinde gebildet, die spannende, interessante und herausfordernde Projekte im gestalterischen und technischen Bereich umsetzen.

Dieses Wachstum erforderte weiter, dass wir das Team stetig vergrössern und die Lehrpersonen sorgfältig einarbeiten. Es zeigen sich sehr interessante, vielseitig interessierte und breit ausgebildete Kandidatinnen und Kandidaten. Immer konkreter wird unser Ziel, eine Aus- und Weiterbildung in der Vivante-Pädagogik anzubieten. Auch mit dem Ziel, dass weitere Menschen ermutigt und befähigt werden, eigene Schulen zu gründen.

Der Wachstumsschritt hat uns in diesem Jahr auch vom Raum her an eine Grenze gebracht. Die Küche mit den Mittagstischplätzen ist zu klein, die Klassenräume stossen an die Grenze und für die weiterführenden Ideen bezüglich Chemie- und Physikausrüstung, Chor- und Bewegungsraum und Schulungszimmer fehlt der Platz. Unsere Gedanken richten sich an einen Ausbau des bestehenden Gebäudes über einen Erweiterungsbau bis hin zu einem Neubau an neuem Standort. Alles auch in Hinblick, die Scuola Vivante Buchs durch eine Sekundarstufe 2 zu erweitern.
Sie sehen, es ist viel Bewegung und Innovationskraft in der Scuola Vivante. Dies dank dem vierzehnköpfigen Team, das sich Tag für Tag mit Herzblut für eine positive und lebendige Entwicklung ihrer SchülerInnen und ihrer Schule engagiert; dank Eltern, die ihre Erziehungsverantwortung wahrnehmen und am Lernen ihrer Kinder aktiv und interessiert teilnehmen und dank Ihnen, liebe GönnerInnen, die die Schule – welche weiterhin ohne öffentliche Beiträge auskommen muss – unterstützt haben.

Dem Dank folgt die Bitte, die Schule im bevorstehenden Wachstumsschritt, das Brütwerk – die Tüftelwerkstatt , den Film Mare Nostrum oder die école vivante grosszügig durch einen finanziellen Beitrag – den Sie von Ihren Steuern abziehen können –  oder durch ein Legat zu unterstützen.

Merci beaucoup!

Wir wünschen Ihnen eine gute Zeit, freuen uns, Sie an dem einen oder anderen Anlass in der Schule persönlich zu sehen und empfehlen Ihnen, hin und wieder unseren Blog zu besuchen. So können Sie nahe und unmittelbar am täglichen Geschehen der Schule teilnehmen.

Mit herzlichen Grüssen
Veronika Müller Mäder,  Jürg Mäder

 

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