Kaum war die Idee geboren, eine Bildungsreise auf der geschichtsträchtigen Via Spluga zu unternehmen, fand bereits ein reger Gedankenaustausch statt, sowohl unter den Schülerinnen und Schülern als auch zwischen den Kindern und uns Lehrpersonen. Zusammen wurde aus den Ideen ein konkreter Plan geschmiedet und damit begonnen, festzuhalten, wie wir die Vorbereitungsphase gestalten würden. Angefangen bei der Beschaffung der finanziellen Mittel für die Reise, über die Reservation der Verkehrsmittel, die Wahl der Übernachtungsmöglichkeiten, bis zur Festlegung der Wanderroute gab es viel zu organisieren.
Bei der Geldbeschaffung zeigten sich ganz verschiedene Herangehensweisen. Während einige durch Arbeit im eigenen Haushalt ihren Teil zum Gesamtbudget beisteuerten, mähten andere den Rasen ihrer Nachbarn. Wieder andere engagierten sich als Babysitter. Ein grosser Teil der Einnahmen konnte schliesslich an einem Flohmarkt gewonnen werden, wo sich einige der Kinder auch mal als Marktschreier versuchten oder ein Ständchen zum Besten gaben, um die Kasse zu füllen. Hier ging es auch darum ein Gefühl für den Umgang mit potentiellen Käufern und Käuferinnen zu finden, das Verhandlungsgeschick zu erproben. Ein gutes Trainingsfeld für den Umgang mit Geld und darüber hinaus für das Kopfrechnen. In einem Kassenbüchlein galt es schliesslich das Budget ordnungsgemäss aufzustellen. Die Einnahmen wurden den erwarteten Ausgaben gegenübergestellt und der Differenzbetrag ermittelt, der noch zu entrichten war.
Damit waren wir bereits mitten im Fachbereich Mathematik. Andere mathematische Herausforderungen lagen etwa im Erstellen eines Höhenprofils der Wanderung, wobei der Umgang mit Karten, das Umrechnen der Massstäbe sowie das Abtragen der errechneten (vertikalen und horizontalen) Distanzen von den jeweiligen Schülern selbstständig und mit eindrücklicher Genauigkeit verrichtet wurden. Daraus entsprangen Fragen wie: „Wie schnell müssen wir wandern, wenn wir das Nachtlager vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wollen?“ oder „Wie viele Höhenmeter werden wir in den drei Tagen insgesamt überwinden?“ Die Mathematik wurde lebendig. Mit dem eigenständigen Erstellen und der Diskussion von Diagrammen behandelten wir weitere mathematische und geometrische Themen wie Prozentrechnen und Winkelmessung – verknüpft mit geologischen, geomorphologischen und wirtschaftlichen Daten.
Auf diese Weise schärften wir unseren Fokus auf Wissenswertes über die Wanderregion und darüber hinaus den Blick für grössere Zusammenhänge.
Auch die körperliche Vorbereitung erhielt ihren Platz. Bei einigen Wandertrainings testeten wir zum einen, ob Schuhe und Rucksack sässen, zum anderen, wie es um die Kondition der einzelnen Berggängerinnen und Berggänger stand. So konnte jeder für sich feststellen, ob er in der Zeit bis zur Reise allenfalls noch ein wenig Training nötig hatte!
Ein wichtiger Teil der Vorbereitung bildete auch die Auseinandersetzung mit den vielfältigen geschichtlichen Aspekten der Säumerpfade im Allgemeinen und der Via Spluga im Speziellen. Sagen und Mythen zur Via Mala oder Erzählungen zu Christian Pitschen-Melchior, dem Erbauer der Rofflaschlucht, die es zu durchwandern galt, zogen die Kinder in ihren Bann. Die Reise nahm in Gedanken weitere Konturen an und gewann an Facetten. Die historische Bedeutung dieses und anderer Alpenübergänge wurde thematisiert. Die Feststellung, dass die Alpen ein natürliches Hindernis bildeten und weiterhin bilden, öffneten Räume für vertiefte Diskussionen in Themengebieten wie Geologie und Geographie oder für Fragen nach der Festlegung von politischen Grenzverläufen.
Weshalb wurde in solch unwegsamem Gebiet überhaupt ein Weg angelegt? Welche Güter wurden aus welchem Grund über die Pässe geschleppt? Wer hatte welches Interesse daran? Wer waren diese Säumer, die den schwierigen Transport in mühseliger Arbeit verrichtet hatten? Welche Gefahren gingen mit einer Überquerung der Alpen einher?
Später, als wir dann selbst drei Tage im kalten Regenwetter auf diesen historischen Wegen unterwegs waren, staunten wir über die Tragkraft der damaligen Maultiere und die Leistungen der Säumer.
Es war für uns beeindruckend zu sehen ist, wie sich das Jahresthema in der ganzen Vorbereitungsarbeit ausgebreitet und gewirkt hat. Es bewegte, wie sich die Primarstufe als Gruppe ausgerichtet hat, wie sie geworden ist, wie das Individuum seines suchte, fand und vertiefte. Sei es in der Sachkompetenz oder auf der persönlichen Ebene. Überwinden, schaffen, wachsen und werden, da war vieles im Gange und klang nach. Blockaden und Hürden wurden angegangen, es fand Auseinandersetzung statt. In der Auswertung entstanden Arbeiten mit starkem Ausdruck und tiefem Inhalt. Sie zu lesen war wunderbar. Die Erfahrungen dieser Reise tragen wir mit ins neue Schuljahr.
Alice Schneider und Gregor Engel
Team Primarstufe